Schneekönigin

1.
Sanft und leise fällt der Schnee,
hüllt die Welt in Unschuld ein,
funkelnd glänzt der schlafend See,
Winterwelt, ganz still und rein.

2.
Fern von unserm Menschenland,
eine Frau dort lebt aus Eis,
als Königin des Schnees bekannt,
wunderschön gefroren weiß.

3.
Einsamkeit singt ihr der Wind,
sehnsuchtsvoll die Sterne blinken,
Stück für Stück ihr Traum zerrinnt,
Tränen tief im Meer versinken.

4.
Salzig fallen Eiskristalle,
auf ihr kaltes Herrscherkleid,
klirrend in dem kurzen Schwalle,
der sie doch nie ganz befreit.

5.
Dreht sich dann zur Kugel um,
schaut in diese andre Welt,
laute Schreie werden stumm,
Bann der sie gefangen hält.

6.
Jede Nacht schaut sie ins Glas,
Bilder von dem einen Mann,
dessen Namen sie vergaß,
sieht sie sein Gesicht sich an.

7.
Braune Haare, seidig weich,
Lippen sanft geschwungen,
schleicht sie sich in Schlafes Reich,
wie von Geisterhand gezwungen.

8.
Singt ihm ihre leisen Lieder,
berührt sie fast die seine Haut,
wendet sich, entschwindet wieder,
niemals hörbar war ein Laut.

9.
Und so war auch diese Nacht,
so für sie vorherbestimmt,
dass sie an der Seite wacht,
während er im Traume schwimmt.

10.
Doch Mond und Sterne wankten,
wagten einen andern Takt,
alte Grenzen ohne Schranken
und durchtrennten diesen Pakt.

11.
Während sie ihn diesmal sah,
roch er ihren kalten Duft,
war sie ihm doch so sehr nah,
flirrend eisig war die Luft.

12.
Lider öffnen sich ein Stück,
sein Herz ganz leise lauter schlägt,
fand er ihren sanften Blick,
bezaubernd ihr Gesicht einprägt.

13.
Golden fließend Lockenpracht,
blaue Augen funkeln tief,
strahlend schöner wart die Nacht,
tat er so, als ob er schlief.

14.
Sie erzählt aus alter Zeit,
von dem Leben, das sie führte,
von der Seele, tief verschneit,
nichts von seinem Wachsein spürte.

15.
Gab zum Abschied sie den Kuss,
der sein Herz verzaubern ließ,
traurig, dass sie gehen muss
und die Nacht, zum Tage blies.

16.
Wartend auf die ihre Stimme,
verfluchte er der Sonne Licht,
wirr und nicht mehr Herr der Sinne,
konnte er vergessen nicht.

17.
Nächtelang hört er ihr zu,
erfuhr, was an ihr wurd begangen,
ohne Liebe, niemals Ruh,
in dem Netz aus Hass gefangen.

18.
Menschen töteten ihr Herz,
welches einst vor Wärme brannte,
Kälte löste ab den Schmerz,
den sie viel zu gut nur kannte.

19.
In ihm wuchs der Wunsch zu siegen,
über Eises Panzerglas,
wollte er die Frau nur lieben,
die auf seinem Bette saß.

20.
Und so kam die Nacht der Nächte,
zögernd griff er ihre Hände,
tosend schrieen dunkle Mächte,
über diese ungewollte Wende.

21.
Blitze sprangen durch die Zeiten,
als er sie umschlungen hält,
aus der Finsternis unendlich Weiten,
riss er sie in seine Welt.

22.
Eises Spitzen ritzten tief,
Wunden in den seinen Arm
und sein Blut in Strömen lief,
liebend, sehnend und so warm.

23.
Tropfte auf den weißen Schnee,
Tod nahm seinen steten Lauf,
umgab sie dann der stille See,
löste sie ganz langsam auf.

24.
Flehend schaute sie ihn an,
weinte um das scheinbar Glück,
was so rein und gut begann,
nahm ihr jetzt den Weg zurück.
Und noch einmal ihre Stimme,
fesselte die seinen Sinne:
"Auch wenn dabei mein Herz zerbricht...
...Königinnen lieben nicht."

(Gedicht des lyrischen Adventskalenders von Mondkuss aus dem Jahr 2001)