Mondkuss Adventskalender

Glück gehabt

Als Heinrich seine Bilder vom Schreibtisch nahm, fühlte er doch die Wehmut, mit der er diese letzten Handlungen in seiner alten Firma verrichtete.

43 Jahre lang war er hier Buchhalter gewesen. Er kannte alle Mitarbeiter, wusste deren Bankverbindung und war immer der Erste, der von neuen Babys oder Ehescheidungen erfuhr.

Heute war nun sein letzter Tag. Er hatte keine Angst vor dem Leben als Rentner. Im Gegenteil. Er freute sich auf die Jahre, die ihm noch zusammen mit seiner Frau vergönnt sein sollten. Nun würde er endlich das Boot fertig bauen können, welches er seit vielen Wochenenden restaurierte.

So hatte er dann doch ein Lächeln auf den Lippen, als er seinen Schal griff und seinen Mantel über die alte Aktentasche legte.

Als er später zu Haus mit seiner Frau beim Tee saß, öffnete er den Brief seiner Kollegen. Sie hatten ihm zum Abschied einen Lottoschein geschenkt. Wahrscheinlich fanden sie es originell, da sein Leben ja nur aus Zahlen bestanden hatte. Heinrich fand es unpassend.

Er liebte Zahlen - aber er mochte kein Geld - und ihm fiel wieder einmal mehr auf, wie wenig sie doch alle in den vergangenen 43 Jahren von einander erfahren hatten.

Heinrich wusste, dass alles was sie zum Leben brauchen würden, sie mit seiner kleinen Rente bestreiten könnten.

So klebte er den Umschlag wieder zu, schrieb eine Adresse auf das weiße Papier, und drückte eine Marke in die rechte obere Ecke.

Am Sonntag der nächsten Woche kaufte er sich eine Zeitung und verglich die Zahlen der Samstagsziehung mit denen in seinem Gedächtnis.

Zufrieden nickte er und ging wieder nach Hause.

Dort empfing ihn seine Frau: "Heinrich, du wirst nicht glauben was sie im Fernsehen gebracht haben. Da hat Worldvision einen Brief ohne Absender mit einem Lottoschein bekommen. Und der Schein hat doch wirklich gewonnen. Sie wollen jetzt mit dem Geld neue Schulen bauen und Bewässerungsanlagen."

Heinrich gefiel, was er hörte.

Und als ihn seine Frau fragte, ob er denn schon die Zahlen der Ziehung mit seinem Schein verglichen hätte, brummelte er nur "Ja, aber das war nichts".

Geschenktipp

Surftipp

	Mondkuss Kalender 9. Dezember
Glück gehabt Als Heinrich seine Bilder vom Schreibtisch nahm, fühlte er doch die Wehmut, mit der er diese letzten Handlungen in seiner alten Firma verrichtete. 43 Jahre lang war er hier Buchhalter gewesen. Er kannte alle Mitarbeiter, wusste deren Bankverbindung und war immer der Erste, der von neuen Babys oder Ehescheidungen erfuhr. Heute war nun sein letzter Tag. Er hatte keine Angst vor dem Leben als Rentner. Im Gegenteil. Er freute sich auf die Jahre, die ihm noch zusammen mit seiner Frau vergönnt sein sollten. Nun würde er endlich das Boot fertig bauen können, welches er seit vielen Wochenenden restaurierte. So hatte er dann doch ein Lächeln auf den Lippen, als er seinen Schal griff und seinen Mantel über die alte Aktentasche legte. Als er später zu Haus mit seiner Frau beim Tee saß, öffnete er den Brief seiner Kollegen. Sie hatten ihm zum Abschied einen Lottoschein geschenkt. Wahrscheinlich fanden sie es originell, da sein Leben ja nur aus Zahlen bestanden hatte. Heinrich fand es unpassend. Er liebte Zahlen - aber er mochte kein Geld - und ihm fiel wieder einmal mehr auf, wie wenig sie doch alle in den vergangenen 43 Jahren von einander erfahren hatten. Heinrich wusste, dass alles was sie zum Leben brauchen würden, sie mit seiner kleinen Rente bestreiten könnten. So klebte er den Umschlag wieder zu, schrieb eine Adresse auf das weiße Papier, und drückte eine Marke in die rechte obere Ecke. Am Sonntag der nächsten Woche kaufte er sich eine Zeitung und verglich die Zahlen der Samstagsziehung mit denen in seinem Gedächtnis. Zufrieden nickte er und ging wieder nach Hause. Dort empfing ihn seine Frau: "Heinrich, du wirst nicht glauben was sie im Fernsehen gebracht haben. Da hat Worldvision einen Brief ohne Absender mit einem Lottoschein bekommen. Und der Schein hat doch wirklich gewonnen. Sie wollen jetzt mit dem Geld neue Schulen bauen und Bewässerungsanlagen." Heinrich gefiel, was er hörte. Und als ihn seine Frau fragte, ob er denn schon die Zahlen der Ziehung mit seinem Schein verglichen hätte, brummelte er nur "Ja, aber das war nichts". Geschenktipp Surftipp
Kalender <<	(c) Damaris Wieser	>>Mondkuss