"Warum sehen die Menschen Melancholie als etwas Schlechtes an? Für mich ist die Zeit, die ich ganz allein mit mir verbringe."

Ich weiß nicht wann sie anfing; diese Traurigkeit. Depressionen bestehen nicht nur aus Traurigkeit. Sie sind so unglaublich vielfältig, aber dazu später mehr.

In den letzten Jahren kam sie immer häufiger und blieb im Lauf der Zeit immer länger. Und irgendwann war sie das einzige Gefühl, welches ich noch fühlen konnte. Traurigkeit und Verzweiflung.

Für mich war der ausschlaggebende Punkt der Verlust des Babys, obwohl mir später in der Klinik klar wurde, dass ich schon wesentlich länger an Depressionen litt.

Sie kam in Intervallen und irgendwann fiel mir auf, dass sie immer genau eine Woche vor der Regel kam. Ich sprach mit meinem Gynäkologen darüber und durch Hormonspiegelungen wurde eine Prämenstruelle Depression diagnostiziert. Das war der Beginn von einer 2 jährigen Seelenqual für mich. Der Arzt stellte fest, dass mein Hormonspiegel so niedrig war, dass ich ohne medizinische Hilfe wahrscheinlich keine Kinder bekommen könnte. Was damals in mir vorging und was mich dann die nächsten 2 Jahre begleitete und was ich alles getan habe, möchte ich hier allerdings nicht wiedergeben.

Zurück zur Traurigkeit.

Ich fiel in ein Loch, die Gedanken drehten sich in meinem Kopf und ich hatte zu nichts mehr Lust. Ich lag oft tagelang in meinem Bett und habe nichts getan außer zu weinen. Irgendwann fing ich an, diesen Zustand als "Fallen" zu bezeichnen. Diese gelebte Einsamkeit und das Fließen der Tränen wurden (was mir erst in der Klinik klar wurde) zu einem Teil von mir. Es war eine Wärme, welche diese Verzweiflung und die Zusammenbrüche erzeugen konnte, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Und ich erreichte damit noch etwas. Anschließend war es still in mir. Diese unendliche Leere war für mich die einzige Möglichkeit, dass meine Gedanken endlich einmal still standen.

Damals schwieg ich noch.

Piet war der erste, dem ich davon erzählte und der es auch mitbekam. Er erzählte mir einmal, dass meine Augen nicht hier im Jetzt wären sondern durch die Dinge durchsehen würden.

Ich hatte es erreicht, ohne es zu wollen.

Ich war leer und innerlich tot.

Das einzige Gefühl, welches ich noch fühlen konnte, war die Traurigkeit.

Und die Sehnsucht nach der Stille wuchs weiter. Die Abstände der Depressionen wurden immer geringer. Irgendwann bestand ich nur noch aus Intervallen zwischen absoluter Power und tiefem Fallen.

Meine Stimmungsschwankungen wurden immer heftiger. Innerhalb von Minuten wechselten meine Launen.

Ich hasste mich dafür; und was noch viel wichtiger war (ich damals aber nicht wusste) - es kostete unglaublich viel Kraft, damit zu leben.

Das Gefühl durchzudrehen kam immer häufiger.

Ich war haltlos und taumelte durch mein Leben.

Irgendwann entwickelte ich ein Bild dafür, wie ich diese Traurigkeit beschreiben konnte. Es ist so, als würde ich auf einem Platz stehen und die Sonne geht langsam unter. Der Schatten eines Hochhauses wurde immer länger und erreichte meine Füße. Ganz langsam kroch er dann an mir hoch. Irgendwann stand ich dann im Schatten dieses Hauses, konnte zwar das Licht um mich herum sehen, aber mir war unendlich kalt. Ich bekam Angstzustände.

Und doch gab es noch etwas, was viel schlimmer war für mich.

Der Gedanke an Selbstmord war keine Gefahr mehr - er wurde für mich zu einer weichen warmen Gewissheit der Stille.

Meine Hemmschwelle, es wirklich zu tun, sank immer tiefer.

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